Abgeltungsteuer: Antrag auf Günstigerprüfung nachträglich stellen?

Mit dem Abzug der Kapitalertragsteuer von 25 % an der Quelle – der sogenannten Abgeltungsteuer – ist die Einkommensteuer auf Kapitalerträge grundsätzlich abgegolten. Damit könnten Sie es steuerlich bewenden lassen – was aber manchmal für Sie doch nachteilig sein kann. Sie können Ihre Kapitalerträge aber auch in die Einkommensteuerveranlagung einbeziehen und beantragen, diese dann zum individuellen Steuersatz zu versteuern.

Geregelt ist dies im Absatz 6 des § 32d EStG. Es wird insoweit auch von einer Günstigerprüfung gesprochen. Wer einen individuellen Steuersatz von weniger als 25 % hat, sollte die Günstigerprüfung daher auf jeden Fall beantragen. Dies geschieht mit der Anlage KAP.

Für das Wahlrecht zur Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG gibt es keine spezielle Frist. Es handelt sich um ein zeitlich unbefristetes Wahlrecht, das bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheides ausgeübt werden kann. Doch was geschieht, wenn der Antrag auf Günstigerprüfung zunächst unterblieben ist, weil dieser aufgrund hoher Einkünfte sinnlos gewesen wäre, dann aber der Steuerbescheid geändert wird und man nun erkennt, dass der Antrag besser hätte gestellt werden sollen? Ist ein Antrag auf Günstigerprüfung für die Abgeltungsteuer auch noch nachträglich möglich?

Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Antrag auf Günstigerprüfung auch nach Eintritt der Bestandskraft gestellt werden kann, wenn ein Steuerbescheid geändert wird und nun erstmals erkennbar wird, dass die Versteuerung der Kapitalerträge zum individuellen Steuersatz günstiger ist als mit dem Abgeltungsteuersatz (BFH-Urteil vom 14.7.2020, VIII R 6/17).

Der Fall: Eheleute hatten in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 zwar Kapitaleinkünfte angegeben, jedoch keinen Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG gestellt. Hierzu bestand aufgrund der Höhe der Einkünfte kein Anlass, da der Abgeltungsteuersatz von 25 % erheblich unter dem individuellen Steuersatz lag. Doch rund zwei Jahre später, also weit nach der Bestandskraft des Bescheides, erließ das Finanzamt einen geänderten Bescheid.

Es stellte sich heraus, dass dem Ehemann Einkünfte aus einer Beteiligung zuzurechnen waren, die deutlich unter dem ursprünglich angesetzten Betrag lagen. Da sich nun eine Besteuerung der Kapitalerträge mit dem individuellen Steuersatz lohnte, stellten die Eheleute den Antrag auf Günstigerprüfung nachträglich. Dies ist auch zulässig – so der BFH.

Die Begründung findet sich tief im steuerlichen Verfahrensrecht: Der Erlass eines geänderten Steuerbescheides, der nun erstmals eine Antragstellung gemäß § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) sinnvoll macht, gilt als so genanntes rückwirkendes Ereignis. Und bei derartigen Fällen erlaubt die Abgabenordnung, konkret der § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 351 AO, eine nachträgliche Antragstellung.

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Von dem hier dargestellten Wahlrecht zu unterscheiden ist die Veranlagungsoption für unternehmerische Beteiligungen, insbesondere an GmbHs und AGs. Sie können in diesen Fällen auf die Anwendung der Abgeltungsteuer verzichten und stattdessen die Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren
beantragen. Das bedeutet: Die Gewinnausschüttungen bleiben zu 40 % steuerfrei, und die übrigen 60 % werden mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Korrespondierend dazu können die Kreditzinsen und andere Aufwendungen zu 60 % als Werbungskosten abgezogen werden.

Aber: Der Antrag zu dieser Veranlagungsoption ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für das jeweilige Jahr zu stellen (BFH-Urteil vom 28.7.2015, VIII R 50/14). Der Antrag kann auch nicht nachträglich gestellt werden (BFH-Urteil vom 14.5.2019, VIII R 20/16).

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