Ambulante Pflege im eigenen Haushalt: Steuerermäßigung für Angehörige

Die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen gehört zu den haushaltsnahen Tätigkeiten, sodass hier die Steuervergünstigung nach § 35a EStG in Betracht kommt. Im Jahre 2019 hat der Bundesfinanzhof leider – gegen die großzügige Haltung des Fiskus – entschieden, dass die Steuermäßigung gemäß § 35a EStG nur für Aufwendungen gewährt wird, die einem Steuerbürger für seine eigene Unterbringung in einem Heim oder für seine eigene Pflege entstehen.

Die Kosten können bis zu einem bestimmten Höchstbetrag direkt von der Steuerschuld abgezogen werden, und zwar

  • für eine geringfügig beschäftigte Haushaltshilfe: 20 % der Kosten bis 2.550 Euro, höchstens 510 Euro.
  • für eine sozialversicherungspflichtig angestellte Haushaltshilfe: 20 % der Kosten bis 20.000 Euro, höchstens 4.000 Euro.
  • für einen Pflegedienst: 20 % der Kosten bis 20.000 Euro, höchstens 4.000 Euro.

Hingegen ist der Steuervorteil ausgeschlossen für Aufwendungen, die er für eine andere Person übernimmt, das heißt, wenn Kinder die Kosten für ihre Eltern übernehmen (BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 19/17).

Einige Monate nach dem BFH-Urteil hatte sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg ebenfalls mit der Übernahme von Pflegekosten für einen Elternteil befasst. Dieses Mal ging es aber nicht um die Übernahme der Kosten für eine stationäre Pflege, also für die Unterbringung in einem Heim, sondern um die Kostenübernahme für eine ambulante Pflege.

Das FG hatte hier wie folgt entschieden: § 35a EStG begünstigt – wenn überhaupt – nur Aufwendungen für die ambulante Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen (also des Betreuenden), nicht aber für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren Haushalt (FG-Urteil vom 11.12.2019, 3 K 3210/19). Allerdings wurde damals explizit die Revision zugelassen. Und nunmehr liegt das positive Urteil des BFH vor.

Aktuell hat der Bundesfinanzhof wie folgt geurteilt:

Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG kann auch von Steuerzahlern in Anspruch genommen werden, denen Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung eines Dritten erwachsen. Folglich können Kinder die Kosten für eine ambulante Pflege ihrer Eltern abziehen, wenn sie die Kosten getragen haben.

Dies gilt auch, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden. Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für ambulant erbrachte Pflege- und Betreuungsleistungen ist weder Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten, noch in den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden hat (BFH-Urteil vom 12.4.2022, VI R 2/20).

Der Fall: Die Mutter der Klägerin wohnt in einem eigenen Haushalt, knapp 100 km vom Wohnort der Tochter entfernt. Sie bedurfte Hilfe für Einkäufe und Wohnungsreinigung. Mit einer Sozialstation wurde eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen abgeschlossen. Die Mutter ist als Leistungsnehmerin aufgeführt, der Vertrag ist jedoch von der Tochter unterschrieben worden.

Die Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus und wurden der Tochter übersandt, die sie jeweils per Banküberweisung beglich. Mit ihrer Einkommensteuererklärung machte die Tochter den Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Mutter in Höhe von 1.071 Euro geltend. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Abzug nach § 35a EStG ab, doch der BFH gab der Revision der Tochter statt.

Allerdings sorgt der BFH auch für eine Verkomplizierung, denn an seinem oben erwähnten Urteil aus dem Jahre 2019 hält er fest. Er unterscheidet zwischen der Übernahme der Kosten für eine stationäre Pflege (= weiterhin nicht abziehbar) und der Übernahme der Kosten für eine ambulante Pflege (= abziehbar), wobei es im zweiten Fall darauf ankommt, wer den Pflegevertrag abgeschlossen hat. Nur wenn der Zahlende, zumeist Tochter oder Sohn, vertraglich dazu verpflichtet ist, also auf eine eigene Schuld hin leistet, sind die Kosten abziehbar. Wird hingegen auf die Schuld des Betreuten, also Vater oder Mutter, hin gezahlt, weil diese(r) den Pflegevertrag abgeschlossen hat, liegt steuerlich unerheblicher Drittaufwand vor.

Somit sind zwei Fälle der Kostenübernahme zu unterscheiden.

Übernahme der Kosten für eine stationäre Pflege

Die Steuerermäßigung für Aufwendungen im Rahmen der stationären Unterbringung/Pflege kann nur der derjenige Steuerbürger in Anspruch nehmen, dem die Aufwendungen wegen seiner eigenen Unterbringung/Pflege entstanden sind. Maßgebend ist insoweit der explizite Wortlaut des zweiten Halbsatzes des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG. Ausweislich dieses Halbsatzes ist nur der Leistungsempfänger zum Kostenabzug für haushaltsnahe Dienstleistungen berechtigt. Und das ist die stationär untergebrachte oder gepflegte Person. Wenn Sohn oder Tochter für die Betreuungsleistungen zahlen, können sie folglich keine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienste beanspruchen.

Übernahme der Kosten für eine ambulante Versorgung

Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen regelt der erste Halbsatz des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG. Hier ist der Abzug nicht auf die Kosten für Dienstleistungen beschränkt, die dem Steuerpflichtigen „selbst erwachsen“ sind. Das heißt: Auch die Übernahme von Kosten durch Sohn oder Tochter kann begünstigt sein.

Im Übrigen steht der Umstand, dass Pflege- und Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege nicht im Haushalt des Zahlenden (hier also der Tochter), sondern im Haushalt des Betreuten (hier der Mutter) erbracht werden, der Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nicht entgegen. Vielmehr sind ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen auch steuerbegünstigt, wenn diese nicht im eigenen Haushalt des Zahlenden, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden.

Formelle Voraussetzungen gelockert

Wer die Kosten für Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen will, muss grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung besitzen und zudem muss der Rechnungsbetrag überwiesen werden. Barzahlungen sind also eigentlich nicht begünstigt. Der BFH sieht aber für den Bereich der Pflegeleistungen eine Lockerung dieser strengen Voraussetzungen vor: Die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, setzt weder den Erhalt einer Rechnung noch die Einbindung eines Kreditinstituts in den Zahlungsvorgang voraus. Die Richter des BFH legen die Vorschrift des § 35a EStG wörtlich aus. Für haushaltsnahe Dienstleistungen auf der einen und Pflege- und Betreuungsleistungen auf der anderen Seite gelten zwar im Grundsatz die gleichen Abzugsvoraussetzungen, aber wenn es um die Frage der Bezahlung geht, differenziert der Gesetzgeber. Der BFH kann hierin kein gesetzgeberisches Versehen erblicken.

Es darf kein Drittaufwand vorliegen

Bei aller Freude über das aktuelle Urteil, so bleibt doch ein Wermutstropfen: Zwar hat die Tochter die von der Sozialstation zugunsten ihrer Mutter erbrachten und dieser in Rechnung gestellten Leistungen beglichen. Für den BFH war jedoch nicht ersichtlich, ob die Tochter hiermit eigene Aufwendungen oder den Aufwand ihrer Mutter getragen hat. Die Steuerermäßigung kann nur im ersten Fall, also bei eigenem Aufwand aufgrund eines eigenen Schuldverhältnisses, gewährt werden. Im zweiten Fall würde so genannter Drittaufwand vorliegen, der steuerlich nicht berücksichtigt wird. Ausweislich des Pflegevertrags waren sowohl die Tochter als auch ihre Mutter als Leistungsnehmerinnen bezeichnet. Das bedeutet: Wenn die Tochter den Pflegevertrag in eigenem Namen, wenn auch zugunsten ihrer Mutter abgeschlossen hat, wären ihre Kosten abzugsfähig. Wenn sie aber die Mutter nur bei deren eigenem Vertragsabschluss vertreten hat, würde ein Abzug der Kosten ausscheiden. Die Vorinstanz muss nun entsprechende Feststellungen nachholen.

Steuererklaerung-Student.de

Machen Sie Kosten für die ambulante Pflege und Betreuung der Eltern geltend und legen gegen ablehnende Bescheide Einspruch ein, wenn Sie die Aufwendungen für die Eltern getragen haben. In aktuellen Fällen sollte entsprechend des BFH-Urteils geprüft werden, ob es sinnvoll ist, einen Pflege- und Betreuungsvertrag in eigenem Namen, aber zugunsten von Vater oder Mutter abzuschließen. Das ist sinnvoll, wenn die Eltern selbst keine oder nur geringe Steuern zahlen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG bei ihnen ins Leere laufen würde. Sofern es auch um Leistungen geht, die teilweise von der Pflegekasse bezuschusst werden, sollte aber vorsichtshalber nachgefragt werden, ob dies in Bezug auf eventuelle Kostenerstattungen zu Problemen führt.

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Unabhängig davon kann im Einzelfall erwogen werden, die Kosten – wenn schon nicht als haushaltsnahe Dienstleistung – so doch als außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen. Die entstandenen Aufwendungen können Sie allerdings nur insoweit absetzen, als der Pflegebedürftige die Pflegekosten nicht selbst tragen kann.

Meinung:

Die Regelungen zum Abzug von Pflegekosten sind an Kompliziertheit kaum noch zu überbieten. Und der BFH setzt nun „noch einen drauf“. Wer soll das nur verstehen? Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber die Vorschrift des § 35a EStG entrümpelt und für Klarheit sorgt.

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