Kindergeld bei Auslandsbezug: Aktuelle Rechtslage und Urteile

Kindergeld bei Auslandsbezug: Aktuelle Rechtslage und Urteile
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Obwohl der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich an einen Wohnsitz im Inland geknüpft ist, gibt es wichtige Ausnahmen – insbesondere bei Entsendungen ins Ausland oder bei Kindern, die im EU-Ausland leben. Doch die Rechtslage für Kindergeld bei Auslandsbezug ist komplex, wie aktuelle Urteile zeigen.

Kindergeld trotz Auslandsaufenthalt: Voraussetzungen und Streitfragen

Kindergeld erhalten grundsätzlich nur Eltern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Auch das Kind muss in der Regel im Inland leben (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG). Doch es gibt wichtige Ausnahmen, etwa bei einem Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Staat, bei dem kein vergleichbares Kindergeld bezogen wird (§ 65 EStG). In solchen Fällen kann auch Differenzkindergeld gezahlt werden – also die Differenz zwischen ausländischer und deutscher Familienleistung.

In der Praxis sorgt das Thema Kindergeld mit Auslandsbezug regelmäßig für Streit mit der Familienkasse – und für viele Urteile der Finanzgerichte. Besonders häufig geht es um Fälle von Entsendung ins Ausland oder um temporäre Auslandsaufenthalte, bei denen der Wohnsitz im Inland (scheinbar) beibehalten wurde.

Wann liegt ein Wohnsitz im Inland vor?

Ein zentrales Kriterium für den Kindergeldanspruch ist das Beibehalten eines inländischen Wohnsitzes. Dabei kommt es nicht nur auf das formelle Besitzrecht, sondern auch auf die tatsächliche Nutzung an.

Beispiel: Entsendung ins Nicht-EU-Ausland

In einem Fall vor dem FG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.10.2023, 10 K 309/22) wurde ein Arbeitnehmer ins sogenannte Drittausland entsandt, behielt aber seine Wohnung in Deutschland. Die Familie nutzte diese Wohnung während der Corona-Pandemie intensiv: Der Vater arbeitete im Homeoffice, das Kind studierte online. Das Gericht entschied: Ein inländischer Wohnsitz war erneut begründet, Kindergeld sei zu gewähren.

Anders sieht es jedoch aus, wenn:

  • die Wohnung nur selten genutzt wird,

  • der Aufenthalt im Ausland langfristig angelegt ist,

  • oder keine Rückkehrabsicht erkennbar ist.

In solchen Fällen wird der Wohnsitz im Inland als aufgegeben betrachtet – mit der Folge, dass kein Anspruch auf Kindergeld mehr besteht.

Wohnsitz des Kindes bei Geburt im Ausland

Weitere Problemfälle betreffen den Wohnsitz des Kindes selbst. Wird ein Kind im Ausland geboren, ist es für den Anspruch auf Kindergeld entscheidend, wann das Kind erstmals in Deutschland ankommt und dort tatsächlich lebt.

So entschied das FG Baden-Württemberg in zwei Fällen (Urteile vom 08.11.2023, 12 K 1322/21 und 17.12.2024, 11 K 341/23):

Der Wohnsitz des Kindes im Inland entsteht erst mit dem tatsächlichen Aufenthalt in der elterlichen Wohnung. Eine theoretische Nutzungsberechtigung reicht nicht aus – vor allem, wenn das Kind die ersten Monate ausschließlich im Ausland verbracht hat.

Kindergeld bei Entsendung aus dem EU-Ausland

Auch bei Entsendungen nach Deutschland stellt sich die Frage nach dem Kindergeldanspruch. Im Fall eines slowakischen Arbeitnehmers, der für mehr als 24 Monate in Deutschland arbeitete, aber weiterhin in der Slowakei sozialversichert war, lehnte das FG Baden-Württemberg den Anspruch auf Differenzkindergeld ab (Urteil vom 21.09.2023, 12 K 1355/23).

Begründung: Nach Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 hat der Sozialversicherungsträger im Wohnsitzstaat (hier: Slowakei) Vorrang. Das deutsche Kindergeld sei daher nicht zu zahlen, auch wenn der Arbeitnehmer in Deutschland wohne.

Nutzung einer inländischen Wohnung – Urteil aus Hessen

Einen besonders praxisrelevanten Fall beurteilte das Hessische Finanzgericht (Urteil vom 11.03.2020, 3 K 1554/19):

Ein ins Ausland entsandter Arbeitnehmer nutzte während der Urlaubszeit ein Haus in Deutschland, das im Eigentum seiner GmbH stand, bei der er Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer war. Zwar zahlte er Miete nur für die tatsächlichen Nutzungsmonate, dennoch sah das Gericht eine fortdauernde Nutzungsabsicht als gegeben an – insbesondere wegen der geplanten Rückkehr der Familie nach Deutschland sowie der tatsächlichen Verfügbarkeit der Wohnung.

Das Gericht stellte klar, dass in diesem Fall ein inländischer Wohnsitz im Sinne des § 62 EStG fortbestand, sodass der Anspruch auf Kindergeld erhalten bleibt. Eine durchgehende Mietzahlung sei nicht erforderlich, wenn das Nutzungsrecht auf andere Weise – etwa durch gesellschaftsrechtliche Stellung – gesichert sei.

Wichtig: Auch ohne dauerhaftes Mietverhältnis kann eine Wohnung als Wohnsitz gelten, wenn sie nicht untervermietet ist und dem Arbeitnehmer jederzeit zur Nutzung zur Verfügung steht. Entscheidend sind die tatsächlichen Lebensumstände und die erkennbare Rückkehrabsicht, nicht nur formale Kriterien.,

Beweissicherung kann entscheidend sein

Da Kindergeld bei Auslandsbezug häufig von Einzelfallentscheidungen abhängt, empfiehlt es sich, Beweise für die Nutzung oder Nutzungsabsicht der Wohnung im Inland zu sichern. Dazu zählen:

  • Fotos der eingerichteten Wohnung während des Entsendezeitraums

  • Zeugenaussagen über Aufenthalte der Familie in der Wohnung

  • Nachweise über Kontakte, z. B. Arztbesuche oder Behördentermine in Deutschland

  • Mietverträge oder Nutzungsvereinbarungen

Solche Nachweise können im Streit mit der Familienkasse den Ausschlag geben.

Fazit

Beim Kindergeld mit Auslandsbezug ist die tatsächliche Lebenssituation entscheidend. Wer zwar formal eine Wohnung in Deutschland behält, aber dauerhaft im Ausland lebt, riskiert den Verlust des Anspruchs. Umgekehrt kann auch bei befristeter Entsendung ins Ausland ein Anspruch bestehen – etwa bei nachweisbarer Nutzung einer inländischen Wohnung. Europarechtliche Regelungen wie die VO Nr. 883/2004 regeln außerdem den Vorrang anderer Staaten beim Kindergeld. Gerichtsurteile helfen dabei, die Kriterien zu verstehen – und sich im Streitfall richtig zu positionieren.

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