Kindergeld: Gilt ein Praxisjahr als Berufsausbildung?

Viele Schulabgänger, die noch nicht wissen, welches für Sie der richtige Beruf sein wird, legen ein so genanntes Praxisjahr ein. Sie nutzen die Möglichkeit, einen Beruf oder eine Branche näher kennenzulernen. Zuweilen wird ein Praxisjahr für eine weitergehende Ausbildung auch verpflichtend vorausgesetzt. Doch gibt es für Eltern volljähriger Kinder, die sich in einem solchen Praxisjahr befinden, noch Kindergeld?

Das Finanzgericht Nürnberg hatte diese Frage mit Urteil vom 17.1.2018 (7 K 826/16) zwar im Falle eines angehenden „Landwirtschaftlichen Betriebsleiters“ bejaht, der Bundesfinanzhof (BFH) hat jedoch jüngst der Revision des Finanzamts stattgegeben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen (Urteil vom 10.4.2019, III R 37/18). Dabei hat er dargelegt, wann der Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn sich Kinder in einem Praxisjahr befinden.

Der Fall: Der Vater führte einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sein bereits volljähriger Sohn später übernehmen sollte. Der Sohn absolvierte hierfür bis Juli 2015 zunächst eine Ausbildung zum Landwirt. Sein Berufsziel ist jedoch das eines „Landwirtschaftlichen Betriebsleiters“. In 2015 meldete sich der Sohn daher zum Besuch einer Landwirtschaftsschule in Vollzeit ab dem Schuljahr 2016 an und nahm vom Oktober 2015 bis Ende September 2016 an dem vorgeschalteten Praxisjahr teil. Der Vater beantragte Kindergeld für die Zeit des Praxisjahres, was ihm jedoch von der Familienkasse verwehrt wurde. Bei dem Praxisjahr handele es sich vorrangig um ein reines Sammeln an Berufserfahrung – so die Familienkasse.

Der BFH konnte in der Sache zwar nicht abschließend entscheiden. Allerdings hat er die Kriterien für eine weitere Prüfung festgelegt. Wichtig ist, dass die Ausbildungsmaßnahmen im Vordergrund stehen und nicht der reine Erwerbscharakter. Für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen u. a. das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes, die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt.

Der Ausbildungscharakter steht auch stets dann im Vordergrund, wenn die Voraussetzungen eines Ausbildungsdienstverhältnisses vorliegen. In diesem Fall muss die Ausbildungsmaßnahme selbst Gegenstand und Ziel des Dienstverhältnisses sein; die Ausbildung muss mithin verpflichtender Gegenstand des Arbeitsvertrages sein und die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung, für die der Arbeitgeber bezahlt, in der Teilnahme an der Berufsausbildungsmaßnahme bestehen. Wenn das Dienstverhältnis neben der Arbeitsleistung auch berufliche Fortbildungen und Qualifizierungen des Arbeitnehmers zum Gegenstand hat, diese aber nicht den wesentlichen Inhalt des Vertrages ausmachen, wird das Dienstverhältnis nicht zu einem Ausbildungsdienstverhältnis.

Die Vorinstanz muss nun prüfen, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen (Ausbildungscharakter) oder die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen (Erwerbscharakter) im Vordergrund stand bzw. ob ein Ausbildungsdienstverhältnis vorlag.

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Unerheblich sind laut BFH eventuelle Erläuterungen auf der Homepage der Schule (hier: der Landwirtschaftsschule), nach denen auch Veranstaltungen durch die Schule stattfinden und das Praxisjahr durch die Lehrkräfte der Landwirtschaftsschule begleitet und betreut wird. Vielmehr kommt es auf den Umfang und den Ausbildungscharakter der praktischen Tätigkeit an, die gesondert zu prüfen sind. Bemerkenswert ist übrigens, dass das Finanzgericht Münster in einem ähnlich gelagerten Fall das Kindergeld gewährt hat, obwohl die Entscheidung nach dem Urteil des BFH ergangen ist.

Es ist nicht einmal die Revision zugelassen worden und eine Auseinandersetzung mit dem BFH-Urteil ist ebenfalls nicht erfolgt (Urteil vom 8.8.2019, 4 K 3925/17 Kg). Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass das Finanzamt eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt hat (Az. III B 145/19).

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